Transkulturelle Psychiatrie

Aufgrund meiner eigenen Migrationsgeschichte beschäftige ich mich im Bereich der transkulturellen Psychiatrie und Migration.  Die transkulturelle Psychiatrie wird als Zweig der Psychiatrie bezeichnet, der sich mit den kulturellen Aspekten, der Ätiologie, der Häufigkeit und Art geistiger Erkrankungen sowie mit der Behandlung und Nachbehandlung der Krankheiten innerhalb einer gegebenen Einheit befasst. 

Migration

Migration ist ein globales Phänomen. Es gibt kein Land, das nicht grenzüberschreitende Zu- und Abwanderungen (internationale Migration) oder Wanderungsbewegungen im Landesinneren (Binnenmigration) verzeichnen würde. Auf der individuellen Ebene ist Migration vor allem ein im Kern psychisch vermittelter Prozess des sich Anpassens. In diesem Prozess wird der psychische Haushalt und die Gesamtheit der affektiven Valenzen ebenso neu strukturiert, wie das persönliche Beziehungsgefüge, das in Interaktion mit der eigenen Umwelt in eine neue Balance gebracht werden muss. Eine Migration ist per se weder krankmachend noch krankheitsauslösend. Doch je nach Umständen der Migration können  besondere psychische Belastungen entstehen. Circa 15 bis 20 Prozent der Patienten in den Versorgungseinrichtungen haben einen Migrationshintergrund. Sie haben zumeist spezifische Probleme, die mit der Migration mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen. So sind diese Patienten durch seelische Folgen traumatischer Erlebnisse, durch Sprachbarrieren und besondere soziale und wirtschaftliche Probleme eine Herausforderung für den klinischen und therapeutischen Alltag in der Praxis . Transkulturell kompetenter Umgang mit solchen Patienten fördert einerseits die Versorgung der Patienten mit Migrationshintergrund und verringert andererseits unnötige Gesundheitskosten bei der Versorgung .

Phasen der Migration nach C. Sluzki (modifiziert nach W. Machleidt)

Die Vorbereitungsphse ist eine Zeit der emotionalen Wechselbäder, gezeichnt von Hoffnung, Euphorie, aber auch Unsicherheit und Angst. Es ist aber auch zu bedenken, dass der Entschluss zur Auswanderung auch einen Schritt der Befreiung aus den Normen der eigenen Herkunftsgesellschaft bedeuten kann. Man befreit sich von den Fesseln und Konventionen, gibt aber auch den Schutz durch die Normen einer Gesellschaft auf.

 

Der Migrationsakt ist die eigentliche Reise vom Herkunfts- zum Zielland.


In der Phase der Überkompensation dominieren Neugier und Euphorie. Träume und Sehnsüchte sind noch unversehrt. Im Sinne einer reaktiven Ethnizität kommt es vor, dass Normen und Werte des Herkunftslandes betont werden.


Die Phase der kritischen Anpassung steht die Auseinandersetzung des Individuums mit der neuen Realität. Bei Familien kann es durch die unterschiedliche Anpassungsfähigkeit der Mitglieder zu grossen Spannungen führen.


Daraus folgt die Phase der Trauer, in welcher der Verlust von vertrauten Werten und die kulturelle Entwurzelung verarbeitet werden muss. Bei Gruppen und Familien kann es zum Konflik kommen zwischen jenen, die in der Trauer verharren ("Miesmacher") und jenen, die sich der neuen Realität stellen ("Verräter").


In der Phase der generationsübergreifenden Anpassungsprozesse findet eine Synthese zwischen tradierten Inhalten (Werte, Norme, Rituale etc.) und den neuen kulturellen Gegebenheiten statt. In der Nachfolgegeneration entsteht eine sogenannte "Bikulturalität".


(Quelle: Machleidt, W., Ethnizität und transkulturelle Phänomenologie psychischer Erkrankungen. In: Weiller, C., Albrecht, J.-N., Dettmers, Ch. (Hrsg.), 2002, Gesundheit Migration Krankheit.Bad Honnef: Hippocampus Verlag)


 

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Dr. med. (AZ) Rafie Ghaffarzadegan Hemmi 

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH 

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